text (sign)

Halten wir als Ergebnis unserer semiotischen Grundlegung des editorischen Textes fest: Text ist als ein komplexes Zeichen, als ein unaflösbarer Zusammenhang von signifiant und signifié (de Saussure) oder dynamischer Strukturzusammenhang vond Zeichenträger, Interpretant und Zeichenobjekt (Peirce), immer in Bewegung, ist aus der Sicht des bedeutungsetzenden Rezipienten niemals voll fixierbar. Das gilt für die Edition ebenso wie für alle anderen Bereiche, in denen literarische Texte Gegenstand der Analyse sind. Der in sich abgeschlossene, einzeln zum Druck gebrachte Text ist ein herausgehobener Zustand aus einem quasi ins Unendliche verlaufenden Bewegungsablauf, ein Fest-Stellen auf der Grundlage einer bestimmten Sinngebung – durch den Herausgeber oder auch, wie wir noch sehen werden, durch den Autor selbst – ein zweifellos notwendiger, wenn auch immer unbefriedigender Akt. Insbesondere in der vom Editor hergestellten – oder auch: herausgestellten – Textfassung ist das in der Ausgabe abgedruckte ‘Textformular’ – bei aller Bemühung des Philologen um Objektivität – unweigerlich von der jeweiligen Sinngebung geprägt. Schon aus dieser Überlegung heraus tut der Herausgeber, wenn immer das zu edierende Material es ihm erlaubt, gut daran, die Veränderbarkeit des Textes – trotz notwendiger Feststellung – in die Edition zurückzuholen. Die Arbeit eines Autors an seinem Werk kann geradezu selbst als Ausdruck der dynamischen Wechselbeziehung zwischen Textträger und Textbedeutung gewertet werden. Der in den Korrekturen und Veränderungen der verschiedenen Textfassungen greifbare Textbildungsprozeß wäre dann als solcher wiederum als Niederschlag einer in stetem Fluß befindlichen Textbedeutung zu interpretieren.

(Martens 1989, 12-13)

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